Der aktuelle Nachrichten-Feed von Henning Uhle - Beobachtungen von der Fensterbank und Anleitungen für Leute
Was habe ich nicht alles im Vorfeld des gestrigen Spiels gegen Algerien gehört und gelesen: “Wegknallen werden wir sie.” – Prognosen wurden abgegeben, die bis zu einem 4:0 oder gar 5:0 reichten. Einfach würde es werden. Das Einzige, was die Nordafrikaner antreiben könnte, wären Rachegelüste wegen der “Schande von Gijon” vor 32 Jahren.
Und so weiter und so fort. Das las sich alles so und hörte sich auch so an, als bräuchte Algerien gar nicht erst anzutreten. Sie hätten sowieso keine Chance. Nun ja, es ist ein bisschen anders gekommen. Und mich hat man fast gesteinigt, wenn ich jemandem im Vorfeld gesagt habe, dass ich an keinen hohen Sieg, sondern – wenn überhaupt – dann nur an einen knappen Erfolg glaube. Und so ist es dann ja auch gekommen.
Die erste halbe Stunde des Spiels fand quasi ohne die Beteiligung der deutschen Klasse statt. Die DFB-Elf war zwar auf dem Platz und fuhrwerkte auch mit dem Ball herum. Aber wirklich etwas nennenswertes kam nicht heraus. Unterirdische Fehler unterliefen den sonst in der oberen Weltklasse verorteten Kickern. Offenbar waren sie schwer beeindruckt, wie die algerische Mannschaft von vorn herein Dampf machte.
Ein ums andere Mal musste Manuel Neuer nicht nur als Torwart, sondern auch als Libero, Feuerwehrmann, sonstwas in Erscheinung treten. Klar, das war dem Umstand geschuldet, weil die Abwehrreihe des DFB sehr weit in Richtung Mittelfeld vorgerückt ist. Aber sie erlaubten sich auch eklatante Schnitzer. So war in dieser Phase in der Abwehr für mich Jerome Boateng der schwächste im Verbund, da er immer gerade so viel tat, dass ihm keine Arbeitsverweigerung unterstellt werden konnte. Man merkte irgendwie der Abwehr an, dass sie in dieser Konstellation nicht wirklich eingespielt war.
Ab etwa 30, 35 Minuten wurde es dann besser, was die Deutschen anboten. Plötzlich zwangen sie die Algerier zu Abwehraktionen, und Algeriens Torwart, der im Spiel über sich hinaus wuchs, wurde ein ums andre Mal gefordert. Aber es war keineswegs so, dass Algerien nun unbedingt in Rückstand geraten musste.
Nach dem Seitenwechsel kam dann André Schuerrle für den eher blassen Mario Götze. Und sofort nahm das Spiel der deutschen eine kolossale Wendung. Da ging plötzlich was. Chancen wurden herausgearbeitet. Plötzlich schöpfte auch der anfangs etwas mutlos wirkende Mesut Özil Vertrauen, was man an seinen Gesten und seinem Verhalten sah. Und auf einmal jagtem Schweinsteiger, Lahm, Kroos, Müller und so weiter immer wieder in Richtung algerisches Tor. Jetzt war es plötzlich ein ziemlich mitreißendes Spiel. Allein: Das Tor fehlte.
Mehr Spielwitz wurde dann auch noch geboten, als Mustafi verletzt ausgewechselt werden musste. Denn so rückte Lahm zurück auf die Position, auf der er der weltbeste Spieler ist: rechter Außenverteidiger. Auf die Doppel-Sechs wechselte dann Löw Sami Khedira ein. Das Spiel wurde breiter und zwingender. Aber es fiel immernoch kein Tor. Und dann war Ende der regulären Spielzeit.
Tja, die Verlängerung hatte kaum begonnen, als Schuerrle das machte, was er am besten kann: Den Weg zum Tor suchen und endlich den Ball versenken. Dass er dabei mit der Hacke gespielt hat, ist zwar nett, aber letztendlich zählte der Erfolg. Mittlerweile waren die Deutschen überlegen. Auch die Abwehr rund um Mertesacker und Boateng machte einen wesentlich sourveräneren Eindruck als noch 1,5 Stunden vorher.
Jeder ging inzwischen an seine Grenzen. Das führte dann dazu, dass Bastian Schweinsteiger völlig am Ende durch den jungen Christoph Kramer ersetzt werden musste. Aber auch er fügte sich schnell in das Pressing-Spiel mit ein. So kam es, dass Kurz vor Ablauf der Verlängerung Schuerrle und Özil aus geladenen Rohren auf das Tor von M’Bohli ballerten, woraus dann das 2:0 entstand.
Aber noch im Siegestaumel befindlich, ließen sie die Algerier noch zum Anschlusstreffer kommen. Man war noch dabei, sich neu zu sortieren, als es doch noch zu einem sehenswerten Tor der Nordafrikaner kam. Aber es blieb letztendlich bei einem unterm Strich verdienten 2:1 für die DFB-Elf.
Ich denke nicht, dass Schweinsteiger und Co. die algerische Mannschaft unterschätzt haben. Sie wussten ganz genau, dass die “Wüstenfüchse” überfallartig gegen die deutsche Abwehr anrennen würden. Sie wussten, dass Algerien aufgrund der Spieler, die in europäischen Ligen spielen, nicht zu unterschätzen sind. Und die erste halbe Stunde wurde auch nicht verschenkt, sondern es war phasenweise einfach keine bessere Spielweise möglich. Ich hatte aber gedacht, dass die DFB-Kicker das Spiel besser kontrollieren würden.
Per Mertesacker brachte es aber auf den Punkt, als er nach dem Abpfiff gefragt wurde, warum die deutsche Mannschaft “so schlecht” begonnen hatte. Seine Reaktion rief Kopfschütteln hervor. Aber eigentlich hat er Recht: Was wollten da die Medien von der Mannschaft? Sie hatte gewonnen. Wie, war egal. Man kann doch nicht gleich alles schlecht reden. Es hätte sicherlich eine überzeugendere Leistung sein können. Und es gibt sicherlich genügend Verbesserungspotential. Und der gestrige Grippe-Ausfall von Mats Hummels in der Innenverteidigung hat sicherlich auch sein übriges getan. Aber sie sind weiter, und sie haben eine große Moral ab der zweiten Halbzeit gezeigt.
Die besten Spieler auf deutscher Seite waren für mich ohne Frage Manuel Neuer, André Schuerrle, Bastian Schweinsteiger und Mesut Özil. Und es ist keine Frage: Im Viertelfinale trifft man auf Frankreich und wird einen anderen Gegner vorfinden als Algerien und deshalb auch anders spielen. So lang man sich immer wieder in ein Spiel hinein kämpft wie gestern, kann man da noch viel erreichen. Wir werden wohl eine anders auftretende Löw-Elf vorfinden.
Für mich war das Ergebnis gestern – oder in der vergangenen Nacht – nicht unerwartet. Überrascht war ich dann aber doch, dass es derart lang gedauert hat. Aber unterm Strich zählt das Ergebnis, und das geht in Ordnung. Oder wie sehen Sie das?
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Der Artikel FIFA Worldcup 2014 – Deutschland gegen Algerien erschien zuerst hier: Henning Uhle.