Der aktuelle Nachrichten-Feed von Henning Uhle - Beobachtungen von der Fensterbank und Anleitungen für Leute
Es war ein deutlich besseres Spiel, was man gestern von der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen eine starke französische Mannschaft gesehen hat. Vor allem, wenn man das viel kritisierte Spiel gegen Algerien mit gestern vergleicht. Unterm Strich war das DFB-Team gestern nicht unbedingt besser, aber sie waren geschlossener als die Franzosen.
Gestern hieß es, dass Philipp Lahm “per Volksentscheid” auf seine Weltklasse-Position als Außenverteidiger eingesetzt wurde. Ein bisschen lächerlich ist das schon, oder? Joachim Löw lässt sich doch nicht in die Planung reinreden. Es hatte eben gestern so sein müssen, und damit ist es genug.
Aber was war das gestern für eine Leistung. Löw war es vermutlich klar, dass er schnelle Leute in der deutschen Innenverteidigung braucht. Und deshalb hat er Mats Hummels und Jerome Boateng in die Innenverteidigung gesteckt. Per Mertesacker wäre wohl nicht schnell genug gewesen. Keine Frage, er ist ein sehr guter Verteidiger, aber ungeeignet gegen Frankreich. Und da Boateng nach innen wechselte, war rechts außen Platz. Da hatte sich schon Shkodran Mustafi wiedergefunden, aber der ist ja verletzt. Und deshalb spielte Philipp Lahm dort. Und damit war die Abwehr ein wahres Glanzstück des deutschen Spiels.
Man hatte Sorge, dass sich Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira nicht verstehen würden oder gar nicht durchhalten würden. Schließlich waren beide nicht völlig fit bei Turnierbeginn. Aber mit dem fetten Abwehrverbund bildeten die beiden eine sichere Bank und konnten einen guten Spielaufbau einleiten. Das hat sich durch das ganze Spiel durchgezogen. Khedira als Gestalter, Schweinsteiger als Regisseur.
Eine wirklich gute Rolle spielte in meinen Augen Toni Kroos. Nicht nur, dass er fast das gesamte Spiel durch sauber die Standards trat, er trieb das deutsche Spiel – vor allem in der ersten Hälfte – nach vorn. Das Mittelfeld komplettierten Mesut Özil, der einen entschieden besseren Tag erwischte als vorher in dieser Weltmeisterschaft, und Thomas Müller, der immer wieder für Verwirrung sorgte und ein sehr sehenswertes Spiel ablieferte.
Tja, und vorn zog einsam der alte Mann seine Runden. Miroslav Klose ist fast so alt wie ich. Seine Aufgabe muss gewesen sein, im Strafraum für Unruhe und freie Räume zu sorgen. So lang er im Spiel war, konnte er sich aber als eigentlicher Stürmer nicht richtig durchsetzen. Er wurde durch einen erneut überragenden André Schuerrle ersetzt, der durch seine Schnelligkeit sofort für Chaos in der französischen Abwehr sorgte.
Das ganze Spiel über war eine geschlossene Mannschaftsleistung des DFB-Teams zu sehen. So musste Manuel Neuer nicht wie ein wildgewordener Kamikaze über das halbe Spielfeld hechten und Feuerwehrmann spielen. Er konnte sich voll und ganz auf seine Weltklasse-Qualitäten als Torhüter konzentrieren. Und diese Aufgabe erledigte er mit Bravour. In seine Hände spielte, dass die Abwehr sich nicht so sehr in Richtung gegnerisches Tor entfernt hatte.
Trotz allem war es Mats Hummels, ein Innenverteidiger, der das einzige Tor des Spiels erzielte: Ein kräftiger Kopfball nach einem butterweichen Freistoß von Toni Kroos. Aber es war auch Hummels, der die Angriffe der Franzosen “las” und sie in sicherer Manier abwehrte. Benedikt Höwedes hatte seine Seite auch gut im Griff, Philipp Lahm sowieso. Und so konnte sich Jerome Boateng um Karim Benzema und um den Spielaufbau kümmern. Und dieses Konzept hatte funktioniert.
Das Mittelfeld wurde aufgrund dieser Abwehrstärke in die Breite gezogen. Man musste kaum durch die Mitte des Spielfelds gehen, man konnte endlich das oft gepriesene Flügelspiel durchziehen. Und jeder arbeitete für jeden. So verteidigte zeitweise auch Miroslav Klose. Vorn hatten sie ja eh alles im Griff.
Es war jetzt nicht so, dass die Franzosen chancenlos waren. Aber sie haben eben weniger eine Mannschaftsleistung als Einzelleistung abgeliefert. Klar, Benzema hat seine ganze Genialität gezeigt, Pogba war stark, Debuchy spielte starke lange Pässe und war ein Fels in der Verteidigung. Und so weiter. Aber die Gesamtleistung als Mannschaft war es, die Deutschland zum verdienten Sieger gemacht hat.
Mir war klar, dass es wieder ein knappes Spiel werden würde. Aber die DFB-Jungs haben zumindest keine Verlängerung mehr gebraucht. Man war sich des Siegs kurz vor Schluss derart sicher, dass Joachim Löw dann noch den jungen Christoph Kramer auflaufen ließ. Das unterstrich, dass er mit der Leistung seiner Spieler voll und ganz zufrieden war.
Und ganz Fußball-Deutschland dürfte nun auch wieder aufhören mit der Kritik. Klar, es war kein Fußball-Fest. Aber es war ein sicheres Spiel, in dem jeder seine Leistung brachte. Und deshalb stehen sie mit Recht im Halbfinale. Und sie treffen auf geschwächte Brasilianer. Können sie nun alles erreichen? Was meinen Sie?
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Der Artikel FIFA Worldcup 2014 – Frankreich gegen Deutschland erschien zuerst hier: Henning Uhle.